Schreck, Scham, Zweifel und schreckvollste Verwirrung

Sternenmagnolie

Trauma-Reaktion und Begleiterkrankungen der Posttraumatischen Belastungsstörung

Dr. med Harald Haas, Sprecher an der Eurythmy4you Trauma Konferenz am 29. Januar, 12. Februar, 12 März 2023

Betrachten wir die innere und äussere, subjektive und objektive Symptomatik, die beim Trauma, einer zunächst unfassbaren oder lebensbedrohenden Schrecksituation auftritt, so findet zunächst ein Freezing, ein Erstarren und Erkälten statt. Im Blutkreislauf findet eine Zentralisation statt, das Blut zieht sich nach innen zurück und man wird blass oder sogar weiss.

Im Bewusstsein führt diese Reaktion zu einer Dissoziation, einer inneren Verwirrung, oder zu einem Ohnmachtserlebnis, nichts tun zu können, bis zur Todesangst.

Eine Überwindung dieses Zustandes ist nur möglich, wenn ein Impuls von Hass und Ärger oder ein Fluchtimpuls auftreten kann. Dies erfordert, dass im Kreislauf ein Strömen des Blutes in die Peripherie erfolgt, was äusserlich zu einer Errötung führt. Zugleich tritt ein Scham- oder Panik-Empfinden auf.

Diese physiologisch erzeugte Scham erzeugt dabei sekundäre Schuldgefühle, häufig auch das Erleben eines wegen des Vorgefallenen Beschämt-Seins oder sogar zu einem Als-dafür-schuldig-angesehen-Werden. Das führt zu einer Übernahme der Verantwortung durch das Trauma-Opfer, was meist nicht berechtigt ist.

Längerfristig können die eben genannten Stadien im Ablauf der Traumareaktionen zu einer Fixierung einzelner Aspekte führen. So kann aus der Dissoziation durch wiederholte Trigger eine dissoziative Störung entstehen, d.h. ein Verlust der Fähigkeit, Wahrnehmungen aus unterschiedlichsten Qualitäten zu einem normalen, umfänglichen Erleben zusammenzufügen.

Aus der Todesangst kann eine andauernde Vermeidungshaltung entstehen, eine Angst vor Situationen, in denen es vermeintlich keine Fluchtmöglichkeit oder Hilfe gibt, falls etwas passieren sollte, beispielswiese in grossen Menschenmengen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen Plätzen wie in der Agoraphobie.

Die Entwicklung von Scham- und Schuldgefühlen kann sich längerfristig in einer depressiven Störung manifestieren oder zu Zwangsgedanken oder -handlungen führen. Die Reaktion von Hass und Ärger kann eine dissoziale Störung oder generell eine Neigung zu gewalttätigem Verhalten auslösen.

Die mit der Dissoziation verbundene Ohnmacht, bei der man nicht mehr reagieren kann, ist noch unangenehmer als die Panik. Darum kommt es vor, dass man seine Dissoziation gar nicht bemerkt, sondern auf eine Trigger-Situation sofort mit einer Panik reagiert, bei der man sich aus einer unangemessenen Situation befreien könnte.*

Das Gesagte kann man in etwa so zusammenfassen:

Traumareaktion DE

Weitere Hinweise zur Differenzierung der Ängste und der posttraumatischen Symptomatik finden sich in dem Buch von Harald Haas, Schreck, Scham, Zweifel und schreckvollste Verwirrung, auf dem diese Ausführungen beruhen.**

Oder hör dir die Vorträge von Harald Haas auf der Trauma Konferenz an.


* Reddemann L., Cornelia Dehner-Rau C. Trauma heilen, 2018, Kapitel: Panik als Schutz gegen Dissoziation

** Rudolf Steiner, Grenzerlebnisse der Seele. Schreck, Scham, Zweifel und schreckvollste Verwirrung. Hrsg. von Harald Haas, Dornach: Rudolf Steiner Verlag, 2. Aufl. 2021

2 Kommentare

janin vansteenkiste
 

Thank you very much for posting these insights. It affirms and explains what i am observing in many clients who increasingly present the described symptoms and reactive behaviours. Looking into how to help, I have found best results with younger, educated persons who - in caring coaching conversations - can understand that their feelings are not 'uniquely abnormal' but have a collective context (e. g.  students - who feel like failures for having lost their social confidence in returning to campus after years of online study isolation) It is much more difficult to reach out to those who bring their problem directly to medical doctors: the tendency to immediately and only prescribe medication prevails. The results of this are often adding to victimization, and responses of guilt, anger and shame indeed. Thank you again for this valuable information. Best wishes for all healing work in 2023.  

Mehr erfahren
Weniger anzeigen

Vielen Dank für die wertvolle Information!
Mit besten Wünschen.
Seyed

Deutsche Seiten <noreply@m.simplero.com> schrieb am So., 25. Dez. 2022,
19:09:

Mehr erfahren
Weniger anzeigen

Einen Kommentar schreiben